Die Jüdische Gemeinde in Bremen




Einiges über die verfolgten Minderheiten und wie sie heute hier leben.

Die Jüdische Gemeinde in Bremen

Beitragvon vergessen » 03.09.2006, 22:05

Die Jüdische Gemeinde
im Lande Bremen
Mit den römischen Legionen kamen auch die ersten Juden in die Gegenden von Rhein und Donau. Sowohl als römische Sklaven wie auch als freie Kaufleute erreichten sie die Gebiete des späteren Kaiserreiches. Die älteste jüdische Gemeinde auf deutschem Boden dürfte die von Köln gewesen sein, weitere entstanden in Trier, Worms und Augsburg.
Die Entstehung einer jüdischen Gemeinde in Bremen ist dagegen noch sehr jungen Datums. Wahrscheinlich haben schon im Mittelalter einzelne Juden in Bremen gelebt, aber erst 1803 konstituierte sich die erste Gemeinde. In diesem Jahr waren im Rahmen einer Gebietsübernahme vom Königreich Hannover die am Barkhof und in Hastedt lebenden Schutzjuden von der Stadt Bremen übernommen worden. Auch der vorher zu Hannover gehörende jüdische Friedhof in der Deichbruchstraße in Hastedt fiel an Bremen. Im Jahre 1813 wird der erste Vorsteher der Israelitischen Gemeinde in Bremen amtlich vermerkt. Er hieß Bendix Gumpel Schwabe und meldete der Steuerbehörde 28 männliche Gemeindemitglieder. Frauen und Kinder wurden nicht gezählt.
Ein Versuch Schwabes, beim Rat der Stadt für die Juden Bürgerrechte, freie Religionsausübung und die Genehmigung für freien Handel und freies Gewerbe zu erlangen, schlug fehl. Der damalige Bürgermeister Johann Smidt und mit ihm der Rat der Stadt betrieben eine judenfeindliche Politik. So beschloß etwa die "Judenkommission des Rates" 1819, keine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Juden über 1829 hinaus zu genehmigen. Bürgermeister Smidt betrieb seit 1821 die "völlige Austreibung der Kinder Israels" als eine "angelegentliche Staatssorge". 1826 hatte er sein Ziel bis auf zwei von Hannover übernommene Schutzjuden erreicht.
Im Zuge der bürgerlichen Revolution hielt die Emanzipation der Juden auch in Bremen Einzug. In der 1849 verkündeten neuen Verfassung wurde den Juden die Einwanderung gestattet. 1863 wurde ihnen auch der Erwerb eines eigenen Grundstücks für den Bau einer Synagoge zugebilligt und der Israelitischen Gemeinde die Rechte einer juristischen Person verliehen. 1876 konnte dann die neuerbaute Synagoge in der Gartenstraße 6 (heute Kolpingstraße) und 1893 eine Friedhofskapelle auf dem Hastedter Friedhof eingeweiht werden. 1896 nahm mit Dr. Leopold Rosenak aus Ungarn der erste Rabbiner in Bremen seine Arbeit auf. Zu dieser Zeit besaß die Gemeinde bereits einen Lehrer, einen Frauenverein sowie einen Kranken-, Beerdigungs- und Fürsorgeverein und eine Mikwah, eine Einrichtung für das rituelle Tauchbad.
Von der Jahrhundertwende bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gab es ein lebendiges Gemeindeleben, die jüdischen Mitbürger waren in das gesellschaftliche Leben der Stadt Bremen integriert. Doch ab 1933 unterlagen die damals 1.314 Menschen jüdischen Glaubens einer ständig zunehmenden antisemitischen Hetze, die in den Pogromen der "Reichskristallnacht" ihre ersten blutigen Auswirkungen zeigte.
Synagoge und Friedhofskapelle wurden zerstört und geplündert, fünf Juden fanden den Tod. 1938 erfolgte dann die erste Deportation Bremer Juden. 80 polnische Männer jüdischen Glaubens waren davon betroffen. Bald darauf erging das Auswanderungsverbot für Juden, und im November 1941 wurden 440 Juden aus Bremen und 150 weitere aus dem Regierungsbezirk Stade gemeinsam in die Ghettos von Minsk und Riga deportiert. Weitere 114 wurden ein Jahr später nach Auschwitz und Theresienstadt gebracht und zum größten Teil ermordet. In Bremen blieben noch etwa 165 Juden, meist Alte und in Mischehe lebende. Diese wurden nach 1944 in Arbeitserziehungslagern (Bremen-Farge) interniert. Im Februar 1945 verließ der letzte Transport mit 90 Menschen Bremen Richtung Theresienstadt, wovon die meisten aber überlebten. Ein für den 15. März geplanter Transport kam nicht mehr zustande.
Aus Theresienstadt kehrte auch Carl Katz, der ehemalige Leiter der Bremer Zweigstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, gemeinsam mit seiner Familie zurück. Am 16. August 1945 gründete er die neue „Israelitische Gemeinde", die 1948 als Verein und damit als juristische Person wieder zugelassen wurde. Katz stand der Gemeinde bis zu seinem Tod im Jahre 1972 vor. 1952 erfolgte die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts und eine „Wiedergutmachung“ des Bremer Senats in Höhe von 500.000 DM. Der letzte Rabbiner, Felix Aber, dem die Auswanderung nach Amerika geglückt war, kehrte nur noch einmal, 1952, zur Enthüllung des Gedenksteins für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus auf dem jüdischen Friedhof und zur Einweihung der neuen Friedhofskapelle nach Bremen zurück. Nach dem Krieg mußten die Gemeindeversammlungen in einem Privathaus am Osterdeich abgehalten werden, erst 1960 wurde eine neue Synagoge geplant. Die Kosten von 1,3 Millionen Mark stellte der Senat aus dem Fond für Wiedergutmachung bereit, das benötigte Grundstück wurde der Gemeinde übereignet - zum Teil im Austausch gegen früher der Gemeinde gehörende Grundstücke. Am 3. August 1961 wurde die Synagoge an der Schwachhauser Heerstraße eingeweiht. Sie besitzt einen Gemeindesaal, einen Klubraum, Bibliothek, Lehr- und Büroräume und ein Ritualbad.
Nachfolger von Carl Katz als Gemeindevorsitzender war bis 1976 Siegfried Stoppelmann, ihm folgte bis 1982 Dr. Hermann Cornea. Bis 1995 stand der Gemeinde ein 4köpfiges Kollegialgremium vor. Erst 1974 kam wieder ein neuer Rabbiner nach Bremen, Joel Berger, der die Rabbinerschule in Budapest absolviert hatte und 1985 als Landesrabbiner nach Stuttgart ging. Seitdem ist Dr. Benyamin Z. Barslai Landesrabbiner in Bremen. Im September 1996 wurde die „Israelitische Gemeinde“ in „Jüdische Gemeinde im Lande Bremen“ umbenannt. Die Namensänderung war Wunsch der Gemeindeversammlung die damit einerseits ihr deutliches Bekenntnis zum Judentum ausdrücken wollte und andererseits eventuelle politische (und nicht gewollte) Interpretationen des Begriffs „Israelitisch“ vermeiden wollte. Mit der Namensänderung wurde gleichzeitig die Gemeindeverfassung geändert. Der Gemeinde steht jetzt ein Gemeinderat vor, der aus der Vollversammlung der Mitglieder, der Gemeindeversammlung gewählt wird. Der Gemeinderat wiederum wählt aus seinen Reihen ein Präsidium, das die Gemeinde nach außen hin repräsentiert. Der Rabbi ist Angestellter der Gemeinde und deshalb per definitionem nicht Mitglied des Präsidiums. Durch viele Zuzüge nach dem Zweiten Weltkrieg sind heute zahlreiche Nationalitäten in der Gemeinde vertreten. Sie vereinigt Juden aus Ungarn, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei, der ehemaligen Sowjetunion, Israel, Chile, Frankreich und dem Iran. Im Januar 1991 beschlossen die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder für Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion den Kontingentflüchtlingsstatus, d.h., diese Juden erhielten in der Bundesrepublik ein Niederlassungsrecht, das es ihnen erlaubte, ihre soziale Existenz dauerhaft zu sichern. Weiterhin beinhaltet dieser Status eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Anspruch auf Sozialhilfe, Qualifizierung und Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz, um eine Integration auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Seit 1991 sind 60.000 Juden nach Deutschland eingewandert, in den kommenden Jahren wird mit weiteren Zuzügen gerechnet, da das Kontingent zur Zeit nicht begrenzt ist. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland haben einen wesentlichen Anteil an der Integration ihrer neuen Mitglieder. Die meisten Einwanderer stammen aus jüdischen Familien, die zu Zeiten des Sowjetregimes mehr als 70 Jahre von ihren Wurzeln abgeschnitten waren. Sie wissen um ihre jüdische Identität oft nur deshalb, weil sie als solche diskriminiert wurden. So hat die Jüdische Gemeinde im Lande Bremen inzwischen mehr als 1000 Mitglieder, während es vor dem Zuzug der russischen Juden nur etwa 150 waren. Durch diesen Zuwanderung hat die Gemeinde erstmals seit dem 2.Weltkrieg wieder eine stabile Demographie. Es gibt sowohl alte Gemeindemitglieder wie auch junge Familien mit Kindern. Aus der ehemaligen Sowjetunion sind zum Teil ganze Sippen mit vier Generationen eingewandert. Dennoch zählt Bremen weiterhin zu den kleinen Gemeinden in Deutschland. Es gibt hier keine Schule und kein Altersheim, wie sie etwa von den jüdischen Gemeinden in Frankfurt, Berlin, München und Düsseldorf betrieben werden. In Bremen existiert eine jüdische Frauenvereinigung, die Kinder werden von Rabbiner Barslai und anderen Gemeindemitgliedern in hebräischer Sprache und jüdischer Religion unterrichtet. Für alle Gemeindemitglieder gibt es eine Fülle von Freizeitangeboten im Gemeindehaus. Alle Feste werden in der Synagoge gefeiert. Das höchste Fest, der Schabbath, findet wöchentlich statt. Daneben gibt es im Frühjahr das Pessach, was zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten begangen wird, sieben Wochen später Schawuoth, d.i. der Tag der Offenbarung der Zehn Gebote, im Herbst das Laubhüttenfest zur Erinnerung an die Wüstenwanderung und schließlich das Versöhnungsfest Jom Hakipurim und Rosch Haschanah, das Neujahrsfest. Innerhalb dieses Jahresfestkalenders wird an den Schabbath-Tagen einmal die gesamte Thora, also die fünf Bücher Moses, im Gottesdienst vorgetragen. Im November 2000 wurde in Bremerhaven wieder eine eigenständige jüdische Gemeinde gegründet. Sie hat etwa 30 Mitglieder und hat ihre Synagoge in der Kirche des früheren amerikanischen Kaserne eingerichtet. Die frühere Synagoge im Stadtteil Geestemünde war 1938 von den Nazis zerstört worden.
Die jüdische Religion kennt keine Kirchenhierarchie, jede Gemeinde ist autonom, der Rabbiner besitzt keine geistlichen Vorgesetzten. Die Gemeinden in Deutschland sind regional in Landesverbänden organisiert, wobei in Bremen der Landesverband die Gemeinden in Bremen und Bremerhaven vertritt. Diese Landesverbände entsenden Delegierte in den Zentralrat der Juden in Deutschland, dem ein regelmäßig tagendes Präsidium vorsteht. Diese Einrichtung hat keinen synodalen Charakter, sondern ist in erster Linie politischer Natur. Über den Zentralrat der Juden in Deutschland sind die Gemeinden auch an der Europäischen Jüdischen Konferenz und am Jüdischen Weltkongreß beteiligt.
Von den weltweit auf 17 Millionen geschätzten Juden leben gegenwärtig etwa 90.000 in 58 deutschen Gemeinden.
Literatur:
 Aus dem Werk von Meier-Hüsing, P., Otten, D., 2003, Religiöse Gemeinschaften in Bremen, Ein Handbuch. Marburg: Diagonal-Verlag

 MÜLLER-TUPATH, KARLA: "Die Israelitische Gemeinde in Bremen". In: LÜHRS, WILHELM (HG.). Reichskristallnacht in Bremen. Bremen 1988, S. 8-13
 MARSSOLEK, INGE: "Vom Leben der Juden in Bremen unter dem NS-Regime bis 1938". In: LÜHRS. Reichskristallnacht, a. a. O., S. 27-38 DIES: "Vom Leben der Juden nach 1938 und im Krieg". In: LÜHRS. Reichskristallnacht, a. a. O., S. 60-68
 BRUSS, REGINA: Die Bremer Juden unter dem Nationalsozialismus. Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen. Bd. 49
 WIPPERMANN, WOLFGANG: Jüdisches Leben im Raum Bremerhaven. Veröffentlichungen des Stadtarchives Bremerhaven. Bd.5 Dünzelmann, Anne E.: Juden in Hastedt, Bremen 1995
 Albertz,H./Wedemeier,K.: Deportation Bremer Juden nach Minsk, Bremen 1991
 Allgemein:
 BEN SASSON, H. A. (HG.). Geschichte des jüdischen Volkes. München 1978-1980 MAIER, J.. Geschichte der jüdischen Religion. Berlin 1972
 SCHOLEM, G.. Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt 1980
1. Name und Anschrift Jüdische Gemeinde im Lande Bremen, Schwachhauser Heerstr. 117, 28209 Bremen, Tel.4985104

Vorsitzende der Gemeinde/des Präsidiums: Elvira Noa, 2.Vorsitzender und Stellvertreter: Liviu Cornea Jüdische Gemeinde Bremerhaven, Kleiner Blink 6, 27580 Bremerhaven Tel: 0471/80 40 72, Vorsitzender: Günter Schmitt

2. Zentrale
Zentralrat der Juden in Deutschland, Tucholkystraße 40, 10117 Berlin, Der Jüdische Weltkongreß hat seinen Sitz in New York. Aus: Meier-Hüsing, P. ; Otten 2002 : Religiöse Gemeinschaften in Bremen. Ein Handbuch. Marburg: Diagonal-Verlag

3. Bremer Gründung 1803

4. Mitgliederzahlen Bremen: etwa 1000 Gemeindemitglieder(1988 waren es 130)); Tendenz: zunehmend.

5. Beitritt Als Kind einer jüdischen Mutter ist man Jude, als Kind eines jüdischen Vaters nicht. Grundsätzlich ist eine Konversion für jeden möglich, nur unterliegt dieser Wunsch einer langen Prüfung. Man muß dem Rabbiner seinen Wunsch zur Konversion glaubhaft auseinandersetzen - er ist gehalten, jeden Interessenten dreimal streng abzuweisen. Danach ist ein mehrjähriges Studium der hebräischen Sprache und der jüdischen Religion erforderlich, bis ein Gericht aus drei orthodoxen Rabbinern endgültig über die Aufnahme entscheidet. Wenn man dann Jude geworden ist, bleibt man es für immer, auch wenn man sich vom Glauben innerlich abwenden mag. Männer müssen sich beschneiden lassen.

6. Rituelle Praxis und sonstige Aktivitäten Feier des Schabbath und aller anderen jüdischen Jahresfeste, Brith Mila (Beschneidung der Jungen am 8.Lebenstag), Bar Mizwah (Aufnahme aller Jungne in die Gemeinde) bzw. Bat Mizwah (Aufnahme der Mädchen in die Gemeinde), Hochzeit und Beerdigung. Kindergarten, Frauenkreis, Hebräisch-Unterricht, Mitarbeit in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

7. Periodika "Allgemeine jüdische Wochenzeitung", hg. vom Zentralrat.

8. Religiöse Tradition und Selbstverständnis Jüdische Glaubenstradition. Die Bremer Gemeinde tendiert eher zu einer orthodoxen Haltung.
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