Gedenken an die Wormser Sinti




Einiges über die verfolgten Minderheiten und wie sie heute hier leben.

Gedenken an die Wormser Sinti

Beitragvon vergessen » 21.05.2007, 18:42

Gedenken an die Wormser Sinti 1940 (19.05.2007)
Ansprache von Oberbürgermeister Michael Kissel anlässlich der Gedenkfeier am 19.Mai2007 zur Erinnerung an die Deportation der Wormser Sinti am 16-17. Mai 1940

In den frühen Morgenstunden des 16. Mai 1940 wurden 71 Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt von Angehörigen der Gestapo und der Polizei verhaftet und zu ihrer Verschleppung zusammengetrieben. Der Grund dafür lag alleine in ihrer Zugehörigkeit zu der ethnischen Minderheit der Sinti und Roma.
Alle Männer, Frauen, alte Menschen wie kleine Kinder wurden im Wormser Güterbahnhof unter menschenunwürdigen Umständen in einen Transportwaggon gepfercht, der an einen aus Mainz kommenden Sonderzug angekoppelt wurde.
Der bewachte Zug fuhr um 12.Uhr 10 in Richtung Ludwigshafen, wo zu den 260 Sinti aus Worms, Mainz und Ludwigshafen weitere 160 Sinti aus der Pfalz, aus Annweiler, Alsbersweiler und Germersheim dazukamen.
Zunächst ging der Transport nach Asperg in Württemberg, dann weiter in die Konzentrations und Arbeitslager in Polen, nach Majdanek, Treblinka und Auschwitz. Es war eine Fahrt in den Tod. Niemand vom Kleinkind bis zum Greis sollte dem Rassenwahn der Nazis entgehen. Nur wenige überlebten das Grauen.
Die meisten starben in den Ghettos und Vernichtungslagern unter unsäglichen Bedingungen,sie verhungerten, wurden kaltblütig erschlagen, erschossen oder durch Gas ermordet.
Die wenigen Überlebenden wurden und werden bis zum Ende ihres Lebens von den körperlichen und seelischen Folgen der grauenhaften Geschehnissen gepeinigt.
Die Deportation von insgesamt 2.800 deutschen Sinti und Roma im Mai 1940 markiert den Beginn der systematischen Verschleppung von deutschen Minderheiten - Sinti, Roma und Juden - mit dem Ziel ihrer vollständigen Vernichtung.
Über 500.000 Sinti und Roma wurden im nationalsozialistisch besetzten Europa Opfer des staatlich organisierten Völkermordes.
Die Deportation der deutschen Sinti und Roma im Mai 1940 war die erste Verschleppungsaktion der Nazis, bei der systematisch und familienweiße Menschen aus Deutschland in das besetzte Polen deportiert wurden.
Die Verantwortung unseres Volkes für diese und die noch folgenden Gräueltaten wurde lange verdrängt. Die deutsche Nachkriegsjustiz hat immer wieder versucht, den Völkermord an Sinti und Roma zu bestreiten, die Nachkriegspolitik ignorierte den Völkermord ebenso für lange Zeit.
Die wenigen, die dem Holocaust entkommen waren, wurden um ihre Wiedergutmachungsansprüche - „Wiedergutmachung“ ein in diesem Kontext fast zynischer Begriff – vielfach betrogen. Der Kampf um die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen und Bürgerrechte konnte erst seit 1982 mit Hilfe des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma aufgenommen werden.
Auf Initiative des Internationalen Bauordens gedenken wir heute der Menschen, die im Namen Deutschlands verschleppt, gequält und grausam ermordet wurden.
Der Völkermord an Sinti, Roma und Juden ist in der Geschichte ohne Beispiel. Für den Holocaust gilt deshalb der Begriff der Einmaligkeit. Dies verbietet den Vergleich mit anderen Verbrechen in der Geschichte der Menschheit.
Es ist unser gemeinsames Ziel, aus der Geschichte zu lernen, die richtigen Folgerungen für die Gegenwart und die Zukunft zu ziehen. Nicht ohne Grund lauten die ersten Worte unserer Verfassung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Und der erste Satz unserer rheinland-pfälzischen Verfassung heißt.Der Mensch ist frei. Diese Verfassungsgrundsätze sind gleichermaßen Abgrenzung zur Vergangenheit und Auftrag für eine demokratische und rechtsstaatliche Zukunft.
Es ist deshalb unsere staatsbürgerliche Pflicht, im Sinne des damit proklamierten Schutzes der Menschenrecht uns auch heute offensiv, unerschrocken und mit demokratischem Geist gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen Diskriminierung von Minderheiten und damit gegen jede Form von Rechtsextremismus sowie Hass und Gewalt zu wenden.
Zum ersten Mal fuhren die Sonderzüge der Reichsbahn mit den für die Vernichtung vorgesehenen Menschen quer durch Deutschland.
Zum ersten Mal wurde hier die Durchführung längst geplanter künftiger Massendeportationen und das Zusammenwirken aller Behörden - vom Reichssicherheitshauptamt bis hin zu den lokalen Meldebehörden - organisiert und für die bevorstehende Verschleppung der Juden erprobt.
Wie die Juden waren Sinti und Roma - in Worms ebenso wie in vielen deutschen Städten bereits seit Generationen ansässig gewesen. Viele von ihnen hatten im 1. Weltkrieg für Deutschland gekämpft. Die seit der sog. Machtergreifung durch die Nazis begonnene systematische Aussonderung, Entrechtung und Verfolgung beendete ihr bis dahin selbstverständliches Leben als deutsche Bürger unserer Gemeinden und Städten.
Diskriminierung, und Ausgrenzung, offener Rassismus und unsägliche Sondergesetze gingen den Völkermordverbrechen an 500.00 Sinti und Roma, an sechs Millionen Juden und an Gegnern des Unrechtsregimes voraus. Es war das Kennzeichen dieses Völkermordes, dass Menschen allein aufgrund ihrer im Sprachgebrauch der Nazis rassischen Zugehörigkeit ausgesondert, gedemütigt, verfolgt und planmäßig vernichtet wurden.
Die Verschleppung von Sinti und Roma geschah ebenso wie die folgende Deportation der Juden nicht im Geheimen. Auch nicht in Worms.
Dr. Fritz Reuter schrieb in seinem Aufsatz „Unbekannt verzogen? Die Betroffenen waren überwiegend arme Leute, die zumeist in sozialen Brennpunkten im Wormser Norden lebten, also in den Trumpen oder in der Kleinen Weide. Wenige wohnten in der Amandusgasse, in der Schlüsselgasse, der Judengasse oder in der Kleinen Affengasse. Es mag sein, dass sie von ihrer Umgebung wenig beachtet wurden. Ihr Verschwinden muss aber aufgefallen sein. Gestört hat sich niemand daran."
Gedenktage und Mahnmale können geschehenes Unrecht nicht wieder gutmachen. Aber sie erinnern uns an unsere moralische und staatsbürgerliche Pflicht. Und sie ehren das Andenken und die Würde der Opfer und ihre Angehörigen.
Niemals wieder darf geschehen, was vor 67 Jahren hier in Deutschland begann.
tarahu
Nur Vermisse ich hier das Thema Entschädigung.Statt vieler Worte des Bedauern sollte hier doch einmal zur Tat geschritten werden.
Auch die Opfer haben ein Recht auf ein Menschenwürdiges dasein.So wurden sie damals planmäßig verfolgt du heute ja heute planmäßig um eine kleie Entschädigung gebracht.
tarahu
vergessen
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von Anzeige » 21.05.2007, 18:42

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